Sind Kühe Klimakiller?

Diese Frage stellt sich ein Beitrag der Sendereihe P.M. Wissen auf Servus-TV, der am 22. April 2021 ausgestrahlt wurde. Aufgenommen wurde der Beitrag an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein im Institut für Nutztierforschung durch die Bilderfeste GmbH aus München.

 

 

Respirationskammer

Respirationskammer

 Guggenberger, T.

Projektziel

Im Zentrum des Filmbeitrages stehen die Methanemissionen (CH4) von Wiederkäuern, die in vielen gesellschaftlichen Meldungen als kritischer Beitrag zur Klimaerwärmung besprochen werden. In sehr informativer Form wird im Beitrag auf die natürlichen Grundlagen der Verdauung von Wiederkäuern und die Messung von gasförmigen Emissionen in den wissenschaftlichen Einrichtungen der HBLFA Raumberg-Gumpenstein eingegangen. Der Beitrag bespricht grundsätzlich den geringen Beitrag von CH4 aus der enterischen Fermentation im Pansen und präsentiert die Ergebnisse eines Fütterungsversuches, dessen Ziel die Senkung von CH4-Emissionen war. Durch die Zugabe von Zitronengras, so das Ergebnis, konnten die Menge der Emissionen gesenkt werden.

Warum Kühe keine Klimakiller sind!

Thomas Guggenberger1, Georg Terler1

Zum Film auf Servus TV

Über 700.000 Kühe und ihre Nachkommen nutzen in Österreich etwa 1,5 Millionen ha landwirtschaftliche Fläche als Futtergrundlage und haben so gemeinsam mit unseren Vorfahren die heimische Kulturlandschaft gestaltet. In den weniger fruchtbaren Lagen Österreichs nutzen Wiederkäuer diese Landschaft im Sommer als Weide und im Winter werden sie mit Heu, Gras- und Maissilage gefüttert. Alle genannten Grundfuttermittel sind das Ergebnis der Photosynthese ihrer Pflanzengemeinschaften. Sie stellen den Tieren Nahrungsenergie in Form von Glukose und Nahrungsprotein in der Form einfacher N-Verbindungen bereit. Während Glukose in Stärkeform enzymatisch sehr gut verdaut werden kann, benötigen die Wiederkäuer zur Verdauung von Faserkohlenhydraten unbedingt die Mithilfe von Bakterien, Pilzen und Protozoen. Diese leben in Symbiose zum Wirtstier im Pansen des Wiederkäuers, wo sie die stabilen chemischen Verbindungen der Pflanzen auflösen (enterische Fermentation), um daraus für das Wirtstier überlebensnotwendige Stoffe zu erstellen. Nicht benötigte oder verbrauchte Stoffe werden je nach Stoffwechselpfad gleich oder später über verschiedene Ausscheidungswege abgesondert.

Wie entsteht Methan in der Wiederkäuerfütterung?

Ein Weg führt über gasförmige Emissionen, wobei große Mengen an Kohlen- und Sauerstoff über die Lungen der Tiere in Form von CO2 ausgeatmet werden. Direkt im Pansen freiwerdender Wasserstoff, dieser wäre für das Tier toxisch, wird von einer bestimmten Gruppe von Bakterien in Methangas (CH4) umgewandelt und über das Maul abgegeben. Die produzierte Menge an CH4 hängt direkt proportional von der Futtermenge und deren Qualität ab. Wir können davon ausgehen, dass die Emissionsrate zwischen 2,0 und 2,2 % der aufgenommenen Futtertrockenmasse beträgt. Auf der Basis international anerkannter Standards wird von amtlicher Stelle für die Wiederkäuerverdauung in Österreich derzeit eine jährliche Emissionsfracht von 164,71 kt CH4 angegeben. Eine Großvieheinheit (500 kg Lebendgewicht) emittiert somit pro Jahr 114 kg CH4 aus dem Pansen.

Einordnung der Methanemissionen von Wiederkäuern

Niemand würde diesem Zusammenhang besondere Bedeutung schenken, wenn nicht das globale Wirtschaftswachstum der letzten 100 Jahre zu einem Anstieg aller potenzieller Treibhausgase (THG) in der Atmosphäre geführt und damit die Klimaerwärmung ausgelöst hätte. CH4 ist eben auch ein Treibhausgas und wird mit seiner 28-fachen Menge in die Treibhausgasbilanz aufgenommen. Es ist wohl zuerst der schieren Größe dieses Faktors zu verdanken, dass Wiederkäuer zum Klimakiller ausgerufen wurden. Rational zu erklären ist das nicht, da nur 3,4 % der globalen Treibhausgase aus der enterische Fermentation der Wiederkäuer stammen. Das macht weniger aus als fossiles CH4, das aus den Förderstätten dieser Welt entweicht (4,6 %) und weniger als von unseren Klärwerken und Mülllagerstätten (3,6%) in Folge des direkten Konsums verursacht wird. Das globale Wiederkäuer-Bashing, wir müssen das leider zur Kenntnis nehmen, ist heute eine Verballhornung individueller Interpretationsfehlleistungen in vielen Teilbereichen. Allein ein einziges Argument hält einer objektiven Prüfung stand: Mit dem Anwachsen der Weltbevölkerung steigt die globale Viehherde und wird damit zum Ausdruck eines ungebremsten Wachstums mit ungewissem Ausgang!

Die österreichische Wiederkäuerherde entspricht in ihrer enterischen Emissionsleistung allerdings dem Stand von 1890 und trägt mit ihren CH4-Emissionen schon lange nicht mehr zum Anstieg der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre bei. Mathematisch ausgedrückt entspricht das einer Konstanten, bildlich gesprochen einem „Flugzeug, dass nicht fliegt!“.  So lange es uns noch nicht möglich ist, die gesamte zeitliche Entwicklung von Sektoren in die Treibhausgasbilanzierung aufzunehmen, müssen wir zähneknirschend die jährlichen Bilanzen zur Kenntnis nehmen, um wieder und wieder Aufklärungsarbeit über den tatsächlichen Tatbestand zu leisten: Wiederkäuer gehören zur Grundausstattung vieler Volkswirtschaften und ihre Existenz ist solange klimaneutral, solange die Tierbestände nicht steigen. Das ist in Österreich der Fall.

Wie kann die österreichische Landwirtschaft zum Klimaschutz beitragen?

Wenn wir uns nun in Österreich sicher sind, nicht Teil des Problems zu sein, wollen wir dennoch ein möglichst großer Teil der Lösung werden. Das ist deshalb wichtig, weil hierzulande außer der Land- und Forstwirtschaft kein anderer Sektor eine Senke für den überschüssigen Kohlenstoff der Atmosphäre werden kann. In Hinblick auf die Nutzung fossiler Energie wird die Landwirtschaft der Gesellschaft auf ihrem ausgetretenen Pfad folgen. Treibhausgas aus der Düngung kann durch den Düngereinsatz reduziert werden. Ein vollständiger Verzicht von Importfutter aus anderen Kontinenten wird unsere Schuld bei den Emissionen in Folge von Landnutzungsänderungen eliminieren und für die Frage der CH4-Emissionen der Wiederkäuer können folgende Wege eingeschlagen werden:

  • Festlegung der Herdengröße und Fütterung auf Basis der am Betrieb verfügbaren Futtermittel. Diese Form einer standortgerechten Landwirtschaft hebt die Bedeutung und Nutzung von betriebseigenen Flächen und senkt die Intensivierungstendenzen auf Basis von zugekauften Getreide oder Eiweißfrüchten bei Wiederkäuern. Dieser Pfad kann so lange praktiziert werden als die nationale Versorgungssicherheit mit Milchprodukten und Rindfleisch gesichert werden kann.

  • Züchtung von langlebigen Tieren mit hohem Ertragspotenzial aus dem Grundfutter. Diese Maßnahme senkt den Remontierungsbedarf und damit wiederum die Herdengröße. Eine artgemäße Haltung der Tiere fördert das Tierwohl und unterstützt diese Ziele.

  • Nutzung natürlicher, sekundärer Pflanzeninhaltstoffe mit einem Potenzial zur Senkung der CH4-Emissionen unter Beachtung der tiermedizinischen Verträglichkeit ihrer Anwendung.

  • Selektion von Wiederkäuern mit geringerem Emissionspotenzial.

Umsetzung der Klimaschutzstrategie

Für eine flächendeckende Umsetzung dieser Klimaschutzstrategie in der Wiederkäuerhaltung müssen sowohl die nationale Eiweißstrategie als auch ein begleitendes marktwirtschaftliches Konzept umgesetzt werden. Ersteres sichert vor allem für Schweine und Geflügel eine vertretbare Menge an unverzichtbarem Protein, zweiteres schützt die heimischen Bauern davor, dass sie in Folge ihrer Bemühungen von billigem Nahrungsimport mit schlechter Klimawirkung vom Markt verdrängt werden. Auch wenn die globale Wirtschaft das nicht gerne hört: Schlechte Produktionsstandards müssen unweigerlich zu einem internationalen Preisaufschlag führen. Das Maß der Strafsteuern ist umfassend mit den Mitteln der Ökobilanzierung zu bewerten. Diese nicht unbedeutende Aufgabe ist der wichtigste Auftrag der Landwirtschaft an die Klimapolitik in Österreich und Europa.

1 Institut für Nutztierforschung der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, 8952 Irdning-Donnersbachtal

Partner

Wir bedanken uns bei der Bilderfest GmbH, vor allem bei Rosmarie Bundz, für die detailgenau und gut verständliche Umsetzung dieses komplexen Themas!

 

Themenbezogene Downloads 

Methanemissionen von österreichischen Milchkühen Wie groß ist der Einfluss von Genotyp und Kraftfutterniveau?

Fünf Fragen zur Bewertung der landwirtschaftlichenTreibhausgasemissionen in Österreich

 

Team

Terler Georg, Dr.

Dr. Georg Terler

Milchproduktion und Tierernährung

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