Die Low-Input Vollweidestrategie versucht eine hohe Effizienz durch Minimierung der Produktionskosten und eingesetzten Produktionsmittel zu erreichen. Die Maximierung des Outputs steht dabei nicht im Vordergrund. Der Einsatz von Maschinen und Geräten, Zukauffutter, Arbeitszeit etc. muss dabei jedoch kurz-, mittel- und langfristig konsequent verringert werden. In der Wiederkäuerfütterung ist das Weidefutter das preiswerteste Futtermittel. Daher versuchen Low-Input Betriebe durch beste Nutzung der Weide den Anteil an konserviertem Futter und Kraftfutter in der Jahresration so weit wie möglich zu reduzieren.
Eine nahezu vollständig auf betriebseigenem Grundfutter basierende Milchproduktion wird angestrebt. Hohe Einzeltierleistungen stehen bewusst nicht im Vordergrund, es wird jedoch eine hohe Flächenproduktivität und Umwandlungseffizienz des Grünlandfutters in Milch angestrebt. In typischen Weideregionen wird auch der Laktationsverlauf bestmöglich an die Vegetationsperiode angepasst (saisonale Milchproduktion). Die wirtschaftlichen Ergebnisse der Milchproduktion in den „Vollweide-Regionen“ Neuseeland, Australien und Irland zeigen, dass diese Produktionsform bei konsequenter Umsetzung sehr konkurrenzfähig sein kann. In den letzten Jahren liefen auch mehrere wissenschaftliche Untersuchungen zur Vollweidehaltung im Voralpen- und Alpengebiet (Schweiz, Österreich, Bayern, Baden Württemberg). Dabei zeigte sich, dass bei passenden Betriebsgegebenheiten und standortangepasster Umsetzungsstrategie dieses Betriebskonzept auch in unserer Region erfolgversprechend umgesetzt werden kann.
Das gilt für Vollweidebetriebe:
- Im Frühling möglichst rasch mit dem Weiden beginnen (große Fläche vorgeben).
- Vor der Hauptwachstumszeit (=ca. 3 Wochen vor dem 1. Schnitt) müssen die Kühe und der Pansen auf die Weide umgestellt sein
- In der Hauptvegetationszeit Ganztagsweidehaltung durchführen
- Bei Regenperioden geeignete Weideflächen beweiden und diese möglichst großflächig vorgeben. Eventuell vorübergehend Weidezeit verkürzen – Weidegras bleibt aber Hauptfutter!
- Zumindest 0,3-0,6 ha Weidefläche ist pro Kuh erforderlich
- Eine geblockte Abkalbung anstreben
- Hohe Einzeltierleistung steht nicht im Vordergrund
- Hohe Effizienz durch beste Weidenutzung und konsequente Kosten- und Arbeitszeitminimierung
- Keine trockenstehenden Kühe auf hochwertige Talweiden treiben
- Eine gute Flächenleistung erreicht man, wenn mit der Weide eher „geizig“ umgegangen wird
- Auf arbeitssparende Weidesysteme die zum Betrieb und zum Bestand passen setzen
- Das hohe Potential der Weide wirklich ausschöpfen
- Eine bisher schnittgenutzte Wiese muss langsam in eine Weide übergeführt werden (Weidegräseranteil fördern, eventuell Übersaat/Nachsaat etc.)
- Kühe und Weidepflanzen besser kennen lernen (Weidemanagement ist mehr als die Kühe aus dem Stall zu lassen)
- Die Umstellung gezielt durchführen
- Auf Euterpflege und Eutergesundheit besonderes Augenmerk legen
- Hoher Weidegrasanteil und Kraftfutter passen nicht zusammen
- Wer im Stall viel beifüttert ist auf der Weide ineffizient (Weideverdrängung u. Verhaltensänderung)
- Die Kühe müssen immer Zugang zu sauberem Wasser haben (mehrere Tränkestellen von Vorteil)
- Langfristig auf weidetauglichere Genetik setzen (kleinere Kühe etc.)
Weide steht im Mittelpunkt
Bei Vollweidehaltung steht die Weide im Mittelpunkt. Das gesamte Betriebsmanagement wird dabei bestmöglich auf die Weidezuwachskurve und Weidequalität abgestimmt. Bei optimalem Weidemanagement kann mit minimalem Aufwand eine sehr hohe und konstante Grünfutterqualität von 6 bis 7 MJ NEL pro kg TM erreicht werden. Entscheidend für eine hohe Weidefutterqualität sind ein passender Pflanzenbestand und die standortangepasste Weideführung. Je nach Betriebssituation kann auf Koppel-, Kurzrasen- oder Portionsweidehaltung zurückgegriffen werden.
Betriebsangepasstes Management gefragt
Vollweidebetriebe setzen ein ausgeklügeltes Low-Input Weide- und Betriebsmanagement um. Wichtig ist dabei die Ausrichtung der Betriebsführung auf die natürlichen Standortbedingungen. Die Kühe sollen vor allem dann Milch geben, wenn preiswertes Weidefutter wächst. Das Herdenmanagement wird grundsätzlich so abgestimmt, dass die Kühe im bzw. bis Ende des Winters (je nach Betriebssituation November – April) abkalben. Im Winter stehen damit die Kühe trocken, was auch den Bedarf an konserviertem Grundfutter bester Qualität reduziert. Auch die Jungkälber gehen bereits im ersten Sommer auf eine Kälberweide. Zusätzlich sind im Sommer alle Kühe trächtig und stehen nicht trocken. Wie die österreichischen Erfahrungen in einem vom Bio-Institut des LFZ Raumberg-Gumpenstein geleiteten Forschungsprojekt mit Praxisbetrieben zeigen, kann eine enge Blockabkalbung mit 4-6 wöchigen Melkferien jedoch nicht auf jedem Betrieb umgesetzt bzw. angestrebt werden.
Vollweide mit oder ohne Melkpause
Bei Vollweidehaltung von Milchkühen kann mit oder ohne Melkpause gearbeitet werden.
Geblockte Abkalbung ja – Melkpause nein
Die Mehrzahl der Betriebe wird, zumindest in der Umstellungsphase, eine enge Blockabkalbung mit rascher Wiederbelegung und damit verbundener Melkpause nicht anstreben bzw. umsetzen. Eine sinnvolle Möglichkeit ist für diese Betriebe die abkalbefreie Zeit in die Monate April bis Ende Oktober zu legen. Damit ist gewährleistet, dass in der Vegetationszeit mit höchster Weidefutterqualität (bis September) keine Kühe trocken stehen und ab Juni auch keine Belegungen erforderlich sind. Es kalben hier auch keine Kühe in der Weidezeit ab, was bei Vollweidehaltung auf Grund der begrenzten Ergänzungsfütterungsmöglichkeit Probleme bereiten kann. Üblicherweise leiten bei dieser Abkalbevariante die Kalbinnen bzw. jene Kühe die „durchgemolken“ wurden die Abkalbesaison im Herbst ein. Die Trockenstehzeit fällt bei einem Großteil der Kühe mit dem Ende der Weidezeit zusammen. Jene Betriebe welche Wert auf eine relativ hohe Einzeltierleistung legen, kann auch hier ein nicht zu später Abkalbetermin empfohlen werden. Bei verlängerter Abkalbesaison ist man hinsichtlich Erstabkalbealter und Remontierung flexibler, benötigt weniger Kälber- und Abkalbeplätze und hat eine kontinuierlicher Milchproduktion. Man verzichtet dabei jedoch auf die Melkpause, einheitliche Futter- und Leistungsgruppen sowie auf die arbeitszeitsparenden konzentrierteren Arbeitsabläufe.
Zur Berechnung des Milchanfalls im Jahresverlauf in Abhängigkeit vom Abkalbezeitpunkt und der Verteilung der Kuhherde steht Ihnen ein Excel-Formular zur Verfügung.
1. Kontinuierliche Abkalbung über das Jahr
Betriebe welche eine kontinuierliche Abkalbung über das Jahr praktizieren, können das beschriebene Vollweidekonzept nur eingeschränkt umsetzen. Das Weidefutter wird hier zumeist weniger effizient verwertet und es muss auch mit höheren Futterkosten (mehr konserviertes Futter und zumeist auch mehr Kraftfutter) gerechnet werden. Bei Abkalbungen in der Weidezeit ist darüber hinaus eine Ergänzungsfütterung zu Laktationsbeginn schwierig umsetzbar. Dies führt oft dazu, dass die gesamte Herde im Stall gefüttert und das Weideverhalten wesentlich verändert wird. Da bei Ganztagsweidehaltung in den Monaten Juli bis September ein relativ hoher Eiweißüberschuss in der Ration besteht (Milchharnstoffgehalt zumeist über 35 mg/100 ml), kann es in dieser Phase auch zu verschlechterten Verbleiberaten kommen. Weiters ist zu beachten, dass trockenstehende Kühe nicht gemeinsam mit den laktierenden Kühen auf den qualitativ hochwertigen Weiden gehalten werden können (Verfettung, Abkalbeprobleme, Stoffwechselstörungen).
2. Vollweide mit Melkpause - für Spezialisten
Eine Melkpause kann dann erreicht werden, wenn alle Kühe des Betriebes innerhalb von 9–11 Wochen zur Abkalbung kommen. Bei streng geblockter Abkalbung kann üblicherweise der höchste Weidegrasanteil an der Jahresration erzielt werden und es fällt eine hohe Milchleistung auch mit der höchsten Weidefutterqualität im Frühling zusammen. Der geblockte und saisonale Arbeitsablauf reduziert darüber hinaus den jährlichen Arbeitszeitbedarf. Alle Kühe befinden sich den Großteil des Jahres in einem vergleichbaren Laktations- und Fütterungsstadium und die Laktationskurve ist sehr gut auf das Weidefutter abgestimmt. In der Vegetationszeit (Zeit mit dem preiswertesten Futter) stehen keine Tiere trocken, demgegenüber führt die Trockenstehzeit im Winter zu einem geringeren Futterbedarf, insbesondere an hochwertigem konservierten und damit teurem Futter. In jenen Phasen wo bei den Kühen der Milchharnstoffgehalt auf Grund des im Vegetationsverlauf zunehmenden Eiweißüberschusses im Futter ansteigt, sind die Kühe hier bereits trächtig. Da über zumindest 6 Monate keine Milchkälber am Betrieb sind, nimmt das Risiko von Kälbererkrankungen (Infektionsketten) ab. Bereits im ersten Sommer kommen die Nachzuchtkälber nach Möglichkeit auf eine Kälberweide. Hier sollte in einem Unterstand eine Ergänzungsfütterung möglich sein.
Dieses streng saisonale System braucht jedoch beste Fruchtbarkeitsergebnisse, da ansonsten die Kosten für die Bestandesergänzung sehr stark ansteigen. Eine passende Weidegenetik (keine extrem scharfen und hochleistenden Tiere) sowie zumindest vorübergehend ein Stier bei der Herde, kann in der zweiten Hälfte der Belegesaison empfohlen werden. Der Brunstbeobachtung muss jedenfalls größtes Augenmerk geschenkt werden. Selbst bei besten Fruchtbarkeitsergebnissen muss mit einem jährlichen Abgang von 10 % der Kühe auf Grund des Hinausfallens aus dem zeitlich begrenzten „Belege bzw. Abkalbefensters“ (geringe Verbleiberate bei Einzeltieren, unvermeidbare Fruchtabgänge etc.) gerechnet werden. Im Schnitt ist die Laktationsdauer in Betrieben mit Melkpause verkürzt (unter 305 Tage im Schnitt der Herde), da spätabkalbende Kühe früher trocken gestellt werden. Der Eutergesundheit muss großes Augenmerk geschenkt werden. Im Herbst sind nämlich alle Kühe spätlaktierend, sodass ein Mischmilcheffekt (S-Qualität!) entfällt. Es ist auch zu bedenken, dass in diesem Zeitraum im Normalfall keine männlichen Kälber am Betrieb sind. Für die Kälberaufzucht müssen auch die entsprechenden räumlichen Möglichkeiten geschaffen werden. Bei eigener Bestandesergänzung ist ein mittleres Erstabkalbealter von 24 (bzw. 36) Monaten erforderlich. Bei Laufstallhaltung ist in der Abkalbezeit eine variable Gruppenbildungsmöglichkeit anzustreben, da die Anzahl der laktierenden Kühe kontinuierlich steigt. Zusätzlich muss der jahreszeitlich uneinheitlichere Milchanfall berücksichtigt werden. Wichtige Fragen in diesem Zusammenhang sind weiters: Reicht die Milchtankgröße aus? Wie sieht es mit der Mindestfüllmenge für das Funktionieren der Milchkühlung aus? Wie wirkt sich die saisonale Milchproduktion auf Wintermilchzuschläge, die Milchinhaltsstoffe und eine eventuelle Milchverarbeitung am Betrieb bzw. die Direktvermarktung aus?
Bei streng geblockter Abkalbung ist auch der im Jahresverlauf unterschiedliche Arbeitszeitbedarf zu berücksichtigen. Von Beginn der Abkalbesaison bis zur Umstellung auf Ganztagsweidehaltung muss mit der jahreszeitlich höchsten Arbeitszeitbelastung gerechnet werden. Demgegenüber geht der Arbeitszeitbedarf von Mai bis zum Beginn der nächsten deutlich zurück.
Umstellung auf Blockabkalbung
Wenn man sich entschließt eine enge Blockabkalbung umzusetzen, hat das Fruchtbarkeitsmanagement eine große Bedeutung. In der Umstellungsphase ist mit einer im Durchschnitt verlängerten Zwischenkalbezeit und Laktationsdauer zu rechnen. Auch die Milchleistung der Kühe bzw. des Betriebes kann dadurch im Umstellungsjahr sinken (0-15 %). Wenn der Tierbestand deutlich ausgeweitet wird oder der Kraftfuttereinsatz am Betrieb stark reduziert wird, kann möglicherweise das derzeitige Grundfutterangebot trotz effizienter Nutzung nicht ausreichen. Zur Berechnung des Futterbedarfs bei Umstellung auf Vollweidehaltung steht Ihnen ein Excel-Formular zur Verfügung.
Kühe die aus dem Belegefenster hinaus fallen, werden ab Beginn der Umstellung konsequent nicht mehr belegt. Dabei ist zu beachten, dass üblicherweise ein „Nachvorholen“ des Abkalbetermins bei Kühen welche sich am Ende des angesetzten Belegefensters befinden, nicht erwartet werden darf. Jene Kühe die nach dem Ende der angesetzten Belegezeit zur Brunst kommen, werden konsequent bis zum Beginn der nächsten Belegezeit nicht mehr belegt bzw. gedeckt. Wie die Praxisbetriebsleiter berichteten, bereitete es keine Probleme diese Tiere in das System einzugliedern. Die Kühe kamen regelmäßig zur Brunst und wurden auf den Betrieben auch rasch trächtig.
- In der Umstellungsphase sollte eher einen früher Abkalbetermin angestrebt werden. Kühe die relativ spät zur Belegung anstehen – auch wenn sie sich theoretisch noch im Belegefenster befinden – sollten bewusst nicht mehr belegt werden. Damit hat man in den ersten Folgejahren weniger Druck und hat die nötige Zeit zum Erfahrungssammeln.
Terminbeispiel:
Der Betriebsleiter strebt langfristig eine Abkalbezeit von 1. Jänner bis spätestens 15. März an. Damit ergibt sich ein Belegefenster von 22. März – 1. Juni. Im ersten Umstellungsjahr sollte der Belegebeginn und das Belegeende jedoch bewusst um 3-4 Wochen nach vor gezogen werden (Belegefenster 1. Umstellungsjahr: 20. Februar-1. Mai). In den Folgejahren sind die gesetzten Termine jedoch sehr konsequent einzuhalten – ansonsten verliert man die Melkpause bzw. hat lange Trockenstehzeiten bei einigen Kühen.
Abkalbezeitraum bei Vollweide
In welche Monate die geblockte Abkalbezeit gelegt wird, hängt wesentlich von den Betriebszielen ab. Betrieben mit Hochleistungskühen bzw. Betriebe welche eine höhere Einzeltierleistung anstreben, kann ein im Jahresverlauf früher Abkalbebeginn (z.B. Ende November bis Ende Jänner) empfohlen werden. Die Tiere können in diesem Fall im Stall in den ersten 2-4 Laktationsmonaten gut ausgefüttert werden und kommen dann mit einer Milchleistung von etwa 20-25 kg auf die Weide, was etwa dem Weidepotential entspricht. Der Weideaustrieb führt in diesem Zeitraum hier zumeist zu einem leichten Milchleistungsanstieg („2. Laktationsspitze“). Auch wenn in der Region häufig Sommertrockenheit auftritt, ist ein früher Abkalbetermin günstiger. Eine mögliche Futterknappheit bereitet hier weniger Probleme, da das Milchleistungsniveau der Kühe bereits geringer ist. Darüber hinaus fällt im Herbst das Weideende mit dem Trockenstellen zusammen. Auch bei kurzer Vegetationsdauer (Berggebiet) wird zumeist die Winterabkalbung sinnvoller sein.
Bei Frühjahrsabkalbung (Ende Jänner-Ende März) kann demgegenüber ein höherer Weidegrasanteil und ein geringerer Kraftfutterbedarf erreicht werden. Darüber hinaus kommen hier die Kälber bei zunehmender Tageslänge zur Welt und der Zeitpunkt der Wiederbelegung fällt in jenen (natürlichen) Zeitraum, in dem durchschnittlich die höchsten Verbleiberaten erzielt werden. Hochleistungstiere können hier jedoch bei Frühjahrsabkalbung und konsequenter Vollweidehaltung zu Weidebeginn nicht ausgefüttert werden. Dies kann bei diesen Tieren den Stoffwechsel belasten und zu schlechteren Fruchtbarkeitsergebnissen und steileren Laktationskurven führen. In Weidegunstlagen der Schweiz wird üblicherweise die Frühjahrsabkalbung mit Erfolg umgesetzt.
Fruchtbarkeitsmanagement
Die Basis für gute Fruchtbarkeitsergebnisse sind eine bedarfsangepasste Fütterung, optimale Geburts- und Haltungsbedingungen, auf Fitness und Fruchtbarkeit gezüchtete Tiere (Lebensleistung!) und ein gezieltes Fruchtbarkeitsmanagement. Scharfe, große oder schwere Hochleistungstiere sind für Low-Input Vollweidebetriebe weniger gut geeignet. Kühe welche verfettet zur Abkalbung kommen, oder sich zu Laktationsbeginn stark abmelken, zeigen schlechtere Fruchtbarkeitsergebnisse. Ein Brunstkalender, ausreichend Zeit zur gezielten Brunstbeobachtung sowie ständige Aufzeichnungen darüber sind für Vollweidebetriebe mit geblockter Abkalbung unerlässlich! Ein Stier bei der Herde kann die Fruchtbarkeitsergebnisse verbessern, ersetzt jedoch die Brunstbeobachtung nicht.
Tail painting - gelb, grün, rot
Ein ausgeklügeltes und sehr erfolgreiches Fruchtbarkeitsmanagement aus Neuseeland wird auch auf Schweizer Vollweidebetrieben angewandt (siehe Markus Bühlmann, www.weidemilch.ch). Dabei wird zuerst das Datum für den gewünschten Belegungsstart festgelegt.
1. Das Programm beginnt 28 Tage vor dem Belegungsstart. Ab diesem Zeitpunkt fängt die Brunstüberwachung an. Diese wird durch Farbmarkierungen der Kühe (tail painting) unterstützt. Die Schwanzansätze aller Kühe und deckfähigen Kalbinnen werden dabei dick mit gelber Farbe (Dispersionsfarbe aus einem Baumarkt in Kunststoffflaschen) bemalt. Die Farbe wird bei einem allfällige Bespringung abgerieben. Die gelbe Farbe soll bei allen Kühen und Kalbinnen, welche über die nächsten 21 Tage eine Brunst zeigen, durch grüne Farbe ersetzt werden. Bis 7 Tage vor dem Belegungsstart ist so ein vollständiger Zyklus durchlaufen und es sind Kühe mit zwei Farben in der Herde: Grün und Gelb.
2. Diejenigen Kühe, welche immer noch die gelbe Farbe tragen, haben überhaupt keine Brunst gezeigt. Kühe, die nicht zyklisieren müssen vom Tierarzt untersucht und nach Bedarf behandelt werden. Dies gilt nicht bei Kühen, die relativ spät abgekalbt haben, dort wird noch zugewartet.
3. Ab Belegungsstart (z. B. 22. März) sollen alle Kühe und Kalbinnen in Brunst besamt und mit Rot markiert werden. Nur Kühe besamen die einen Duldungsreflex zeigen!
4. Am 14. Tag nach dem Belegungsbeginn (z.B. 5. April) soll bei Kühen, die immer noch gelb tragen, der Tierarzt eine zweite Untersuchung vornehmen.
5. Alle Kühe die ab jetzt besamt werden erhalten eine rote Farbe. Der Anteil Kühen mit grüner bzw. gelber Farbe sollte ab jetzt kontinuierlich sinken.
Eine etwa zweimonatige Belegungsperiode gibt unter der Anwendung des empfohlenen Fruchtbarkeitsmanagements allen Kühen mit regelmäßigem Zyklus dreimal die Gelegenheit trächtig zu werden. Wenn zwei Monate nach Ende der Decksaison die Quote der nicht trächtigen Kühe und Rinder unter 10 % liegt, ist die Besamungssaison sehr erfolgreich verlaufen. Die Farbe am Schwanzansatz zeigt nicht nur ob eine Kuh besprungen wurde sondern gibt im Verlauf der Decksaison einen guten Herdenüberblick.
Die beste Brunstbeobachtungszeit ist am Morgen vor dem Melken und abends so spät wie möglich. Hier sollte wirklich jede Kuh gezielt beobachtet werden, dafür ist Zeit einzuplanen. Auch wenn eine Kuh brünstig ist, muss die Beobachtung fortgesetzt werden – bei geblockter Abkalbung sind häufig mehrerer Kühe gleichzeitig!
Besamung oder Stier?
Grundsätzlich sind alle Varianten bei geblockter Abkalbung möglich. Ein Stier bei der Herde erhöht üblicherweise die Brunsterkennungsrate, stellt demgegenüber aber eine potentielle Gefahrenquelle dar und erhöht den Futter- und Platzbedarf. Teilweise halten Betriebe auch nur im letzten Belegemonat einen Deckstier oder führen ausschließlich eine künstliche Besamung durch.
Der Schweizer Vollweidpionier M. Bühlmann (www.weidemilch.ch) belegt die ausgesuchten Zuchtkühe nur bei der Erst- und evtl. Zweitbesamung mit Milchviehstieren, da er sonst spätgeborene Aufzuchtkälber erhalten würde, die dann nur eine verkürzte Wachstumszeit bis zur 1. Abkalbung hätten. Tiere die zum dritten Mal besamt werden und Kühe die nicht für die Nachzucht bestimmt sind, werden hier ausschließlich mit Maststieren gedeckt. Da Kalbinnen schon mit 24 Monaten abkalben, werden diese mit leichtkalbigen Vätern (Angus, Jersey etc.) belegt. Tiere, die am Ende der Decksaison zu belegen sind, werden nicht mit französischen Mastrassen belegt, weil die Trächtigkeiten aus diesen Kreuzungen länger dauern als die Trächtigkeiten von Angus- und Jersey-Stieren.
Ein österreichischer Vollweidepionier hält das gesamte Jahr einen Fleischstier bei der Herde und verkauft alle Kälber als Masttiere. Gesunde Kühe die verspätet trächtig werden, können als Bio-Mutterkühe abgesetzt werden. Die Remontierung erfolgt hier über Zukauftiere.
Milchleistungen im Jahresverlauf
Bei Vollweidehaltung werden sehr hohe Einzeltierleistungen nicht angestrebt bzw. erreicht. Je nach Kuhtyp, Rasse und Fütterung zu Laktationsbeginn sind bei einer geblockten Winterabkalbung Jahresmilchleistungen von 5.500-7.500 kg bzw. bei geblockter Spätwinter-Frühlingsabkalbung zwischen 4.000-6.500 kg realistische Werte. Die höchste Milchleistung fällt in die Monate von April bis August. Der hohe Gehalt an wertvollen ungesättigten Fettsäuren im Weidegras und die geringere Strukturwirksamkeit des Weidegrases reduzieren in der Weideperiode jedoch die Milchfettsynthese. Dadurch liegt der Milchfettgehalt in der Vollweidezeit um 0,2–0,4 % (3,6-4,0 %) tiefer als bei üblicher Stallfütterung. In der Vollweidephase können die Kühe zu Laktationsbeginn nicht ausgefüttert werden. Das Weidepotential liegt nämlich im Bereich von 20-25 kg Milch. Bei Kühen mit höherer Tagesmilchleistung muss daher auch mit einem geringeren Milcheiweißgehalt in der Weidezeit gerechnet werden (3,0-3,3 %). Der Milchharnstoffgehalt steigt im Vegetationsverlauf ab etwa Mitte Juni von 30 auf über 45 mg/100 ml im August und September an. Es ist daher sinnvoll, wenn in den Sommermonaten keine Belegungen anstehen und die Tiere trächtig sind. Entscheidend für den Erhalt der Qualitätszuschläge ist jedenfalls eine gute Eutergesundheit der Herde. Bei Blockabkalbung sind nämlich im Herbst alle Kühe spätlaktierend.
Fütterung im Jahresverlauf
Auch für Vollweidebetriebe gelten in der Winterfütterungsphase die gleichen Grundsätze wie für übliche Milchviehbetriebe. Besondere Beachtung verdient hier jedoch die Weide-Umstellungsfütterung im Frühling sowie die Fütterung in der Ganztagsweidephase (=Vollweide).
Fütterung in der Stallperiode
Bei Vollweidehaltung entfällt die Trockenstehzeit üblicherweise in die Winterfutterperiode. Die trockenstehenden Kühe sollten getrennt von den laktierenden Kühen aufgestallt werden. Bei normaler Körperkondition genügt in der Trockenstehzeit eine Nährstoffversorgung die einem theoretischen Milchleistungsniveau von 5-7 kg entspricht. Wenn diesen Kühen ein strukturreiches Grundfutter (Heu; Grassilage/Heu oder Grassilage/Stroh-Mischung) zur freien Aufnahme angeboten wird, reicht dies zur Nährstoffversorgung aus. Die Kühe sollten in der Trockenstehzeit weder verfetten noch in zu geringer Kondition zur Abkalbung kommen, eine ausreichende Pansenfüllung (freie Futteraufnahme, strukturreiches Futter) ist immer notwendig. Zur Natriumergänzung müssen die Kühe etwa 3 dag Viehsalz pro Tag aufnehmen können, welches entweder über Lecksteine oder gezielt händisch angeboten werden kann. Je nach Futterkomponenten benötigen die Kühe zusätzlich in dieser Phase 0-5 dag einer spurenelemet- und phosphorreichen Mineralstoffmischung für trockenstehende Kühe.
Zur Vorbeuge von Milchfieber sind Milchkühe in den letzten 2-3 Wochen vor der Abkalbung möglichst kalzium- und kaliumarm aber phosphorbedarfsdeckend zu füttern. Nach Möglichkeit wird wenig Klee, Luzerne sowie beste Grassilage und mineralisiertes Kraftfutter gefüttert. Zur Mineralstoffversorgung dürfen in den letzten Trockenstehwochen keine kalziumreichen Mischungen verwendet werden. Damit sich die Pansenmikroben in dieser Phase bereits auf das Laktationsfutter umstellen können, sollten im letzten Trockenstehabschnitt bereits jene Grundfuttermittel zumindest teilweise in der Ration enthalten sein, welche auch unmittelbar nach der Abkalbung gefüttert werden. Wenn Kraftfutter zu Laktationsbeginn nur in geringen Mengen und auch nur in langsam steigenden Mengen gefüttert wird, dann ist eine Anfütterung mit Kraftfutter vor der Abkalbung nicht sinnvoll. Damit wird zwar die Milchleistung gesteigert, erhöht sich aber auch das Energieversorgungsdefizit. Die Kühe dürfen nicht verfettet zur Abkalbung kommen.
Zu Laktationsbeginn muss höchstes Augenmerk auf eine hohe Grundfutteraufnahme gelegt werden. Eine hohe Grundfutteraufnahme erfordert, dass der Futtertisch der laktierenden Kühe nie leer ist, nur ein kontinuierliches Futterangebot fördert die Verdauungsabläufe im Pansen. Das Futter muss daher täglich mehrmals nachgeschoben werden. Vielfältige, aber über längere Zeiträume möglichst konstante Rationen sind notwendig. Damit kann eine stabile Pansenmikrobenpopulation aufgebaut und erhalten werden. Ein Heuanteil erhöht die Futteraufnahme. Ein sauberer Futterbarren, optimale Haltungsbedingungen, ein Tier-Fressplatz-Verhältnis von 1:1, ein häufiger Tier-Menschkontakt und ausreichend Wasser sind weitere wichtige Erfolgskriterien in der Fütterung. Das Kraftfutter darf nach der Abkalbung nur langsam gesteigert werden (maximal 0,3 kg/Tag und nicht mehr als 2 kg pro Teilgabe). Eine Viehsalzgabe (zumindest 3 dag/Tag) zur Natriumversorgung ist immer notwendig. Die Versorgung mit weiteren Mengen- und Spurenelementen über Mineralstoffmischungen muss sich nach den Rationskomponenten richten. Zumeist sind 3-5 dag einer phosphor- und spurenelement betonten Mischungen pro Kuh und Tag erforderlich. Nur bei hohen Milchleistungen ergibt sich zumeist ein Kalziumergänzungsbedarf (Futterkalk). Da bei geblockter Abkalbung im selben Zeitraum mehrere Kühe zur Abkalbung kommen, ist ein höherer Platzbedarf für Abkalbeboxen und die Kälberaufzucht einzuplanen. Weiters ist der in der Abkalbezeit zunehmende Anteil an laktierenden Kühen zu berücksichtigen.
Fütterung in der Weideumstellungsphase
Das Weidefutter weist bei optimaler Weideführung und Nutzung eine hohe Verdaulichkeit auf. Im Vollweideprojekt wurde im Durchschnitt ein Energiegehalt von 6,3 MJ NEL/kg Trockenmasse festgestellt. Insbesondere zu Weidebeginn zeigte sich die höchste Energiekonzentration. Der Energiegehalt liegt damit im Bereich von Maissilage bzw. erreicht nahezu energiearme Kraftfuttermischungen. Aktuelle Ergebnisse aus Österreich zeigen, dass bei konsequenter Nutzung des Weidepotentials, Grundfutterleistungen von etwa 20-25 kg Milch pro Tag aus der Weide erreichbar sind. Auch der Eiweißgehalt (Rohprotein) lag in den untersuchten Proben mit durchschnittlich 21 % auf sehr hohem Niveau. Die beachtliche Streuung im Nährstoffgehalt spiegelt deutlich die Pflanzenbestands-, Betriebs-, Boden- und Bewirtschaftungseinflüsse wider.
Zu beachten ist, dass junges Weidegras nicht nur energie- sondern auch zuckerreich ist und eine geringe Strukturwirksamkeit aufweist. Daher schließt Vollweidefütterung eine hohe Kraftfutterergänzung aus pansenphysiologischer Sicht aus. Bereits bei täglichen Kraftfuttermengen über 2-4 kg kann es zu Verdauungsstörungen kommt. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass jedes kg Kraftfutter auch sehr viel preiswertes Weidefutter aus der Ration verdrängt.
Im Gegensatz zu intensiv genutzten Weideflächen darf die Futterqualität auf Standweiden, Extensivflächen und Almen nicht überbewertet werden. Je nach Pflanzenbestand und Selektionsmöglichkeit durch die Tiere entsprechen die Energie- und Rohfasergehalte etwa dem eines Heus geringer bis mittlerer Qualität. Diese Weiden sind für die Kalbinnenaufzucht sowie für trockenstehende Kühe gut geeignet.
Weideverhalten der Rinder
Bei Weidehaltung wenden Rinder je nach Leistung, Futterangebot und Tageslänge zwischen 6 und 11 Stunden für die Futteraufnahme auf. Untersuchungen mit Milchkühen haben gezeigt, dass bei hochleistenden Tieren die tägliche Biss- und Kauanzahl die Grünfutteraufnahme limitieren können! Beispielsweise erreichen Kühe 45.000–75.000 Kauschläge pro Tag. Davon entfallen 30–50 % auf die Futteraufnahme und der Rest auf das Wiederkauen. Sie fressen im Allgemeinen innerhalb von 24 Stunden in 3–5 Hauptperioden, vorzugsweise am frühen Morgen und frühen Abend. Je geringer das Futterangebot ist, desto mehr Zeit wird für das Weiden aufgewendet. Eine hastige Futteraufnahme erhöht das Blährisiko. An heißen Tagen (etwa ab 25°C) geht die Weidefutteraufnahme in den Stunden mit der höchsten Temperatur zurück. Kühle Temperaturen beeinflussen das Weideverhalten nicht negativ. Wenn jedoch Wind in Kombination mit Regenfällen auftritt, kann es an diesen Tagen zu einem Rückgang der Weidefutteraufnahme kommen. Rinder passen ihr Verhalten stark an die Fütterungs-, Klima- und Tageslängenbedingungen an und sind auch Gewohnheits- und Herdentiere. Wenn beispielsweise im Stall Futter guter Qualität angeboten wird, geht die Weideaktivität sofort zurück und die Kühe warten (auch hungrig!) an der Eintriebsstelle.
- Eine hohe Weideaktivität und Weidefutteraufnahme kann mit größeren Ergänzungsfütterungsmengen nicht erreicht werden!
- Bei langen Regenperioden (bzw. großer Hitze ohne Schattenplätze auf der Weide), sollten die Kühe möglichst früh am Morgen und Abend (=Hauptfresszeiten) auf den Weiden sein. Zur Entlastung der Weiden (bzw. Kühe) können die Tiere in der restlichen Zeit (Mittag bzw. Nacht) vorübergehend eingestallt werden.
Schonende Übergangsfütterung sehr wichtig!
Der Weidebeginn ist eine der sensibelsten Fütterungsphasen bei Vollweidehaltung. Die Tiere haben hier eine hohe Milchleistung und einen dementsprechend hohen Nährstoffbedarf. Zusätzlich ändert sich die Rationszusammensetzung für die Pansenmikroben deutlich und die Kühe müssen sich wieder an das Weiden gewöhnen. Das Weidefutter ist hochverdaulich und verträgt keine hohe Kraftfutterergänzung. Die Kühe stehen in dieser Phase zumeist auch zur Wiederbelegung an.
Weidebetriebe sollten ihre Flächen etwa zu jenem Zeitpunkt bereits bestoßen, wenn in der Region die ersten Betriebe mit dem Wiesenabschleppen beginnen.
- Die Kühe gewöhnen sich in einer Phase an das Weiden, wo der tägliche Futterzuwachs noch nicht sehr hoch ist.
- Die Pansenmikroben werden langsam auf das Weidefutter umgestellt.
- Das Überweiden des jungen Pflanzenbestandes fördert die Bestockung der Gräser sowie die Wurzelbildung und lenkt den Pflanzenbestand in eine günstig Richtung. Lückenfüller und unerwünschte Kräuter werden zurück gedrängt, die Trittempfindlichkeit geht zurück.
In den ersten 2-3 Wochen ist schrittweise von Stunden- über Tag- auf Ganztagsweidehaltung (=Tag- und Nachtweide) umzustellen. Mit steigender Weidedauer wird im Stall die Ergänzungsfütterung (Grund- und vor allem auch Kraftfutter) verringert. Die Verfütterung von Heu ist insbesondere in der Übergangszeit günstig. Vollweidebetriebe mit Silageeinsatz versuchen bereits vor Weidebeginn die Fahrsilos zu leeren und setzen danach zumeist auf Ballensilagen. Hier ist das Nacherwärmungsrisiko gering als bei Fahrsilos und man muss die Silage auch nicht „mit Gewalt“ noch vor dem ersten Erntetermin verfüttert haben. Dies ist bedeutend, da bei Umsetzung einer geblockten Abkalbung und gezielten Vollweidehaltung zumeist weniger konserviertes Futter als bisher benötigt wird! Betriebe die den Weideaustrieb auf Grund der Verfütterung von Futterresten verschlafen, haben über die gesamte Weideperiode Probleme!
Zu Weidebeginn wird eine möglichst große Fläche überweidet. Hier können auch Flächen bestoßen werden, wo im weiteren Jahresverlauf der 1. Aufwuchs – durch die Überweidung um 1 Woche verzögert – gemäht wird. Wie die Praxis zeigt, bereiten die Kotstellen aus der Frühlingsbeweidung bei sachgemäßer Maschineneinstellung keine Probleme bei der Futterernte. Die Überweidung wirkt sich jedenfalls positiv auf den Bestand (Bestockung angeregt, Pflanzenbestandslenkung) aus.
Wie Abbildung 1 zeigt, setzt bereits etwa 3–4 Wochen nach Vegetationsbeginn die intensivste Wachstumsphase im Grünland mit höchster Futterqualität ein. Zu diesem Zeitpunkt müssen die Pansenmikroorganismen, der Verdauungstrakt und die Tiere (Weideverhalten) daher auf die Weide umgestellt sein. Damit wird verhindert, dass das Futter auswächst und in Folge Futterverluste entstehen.
Da Weidegras auch eiweißreich ist, kann mit Weidebeginn die Eiweißergänzung über das Kraftfutter reduziert oder ausgesetzt werden. Wenn geringe Mengen an Kraftfutter gefüttert werden, sollte sich dieses nicht nur aus Getreide (Gerste, Weizen, Triticale, Roggen) zusammensetzen. Günstig sind hier Körnermais-, Kleien- und Trockenschnitzelanteile (20-30 % bzw. 10-20 %) im Kraftfutter, da diese Komponenten langsamer im Pansen abgebaut werden. Auf eine ausgewogene und bedarfsgerechte Versorgung mit Viehsalz (20–40 g) und mit Mineralstoffen und Spurenelementen ist zu achten. Stellt man den Mineralstoff- und Spurenelementbedarf dem Gehalt im Weidegras gegenüber, dann ergibt sich immer ein Natrium-Ergänzungsbedarf (Viehsalz). Auch bei Phosphor und Spurenelementen kann es zu einer unter den Empfehlungen liegenden Versorgung kommen. Die Kalziumaufnahme reicht üblicherweise für Milchleistungen bis 30 kg aus. Zur Vorbeuge von Weidetetanie durch Magnesiummangel kann der Einsatz von zumindest 50 g einer magnesiumreichen Mineralstoffmischung, insbesondere zu Weidebeginn, empfohlen werden.
Fütterung in der Vollweidezeit
Vollweidebetriebe sind Weidespezialisten! Eine hohe und möglichst gleichbleibende Weidefutterqualität ohne Futterverluste steht im Vordergrund (siehe Weidemanagement). Die Kühe sind ab jetzt nur zur Melkung im Stall und zumindest 20 Stunden (Tag- und Nacht) auf der Weide. Nur wenn bei großer Hitze auf der Weide keine Schattenplätze zur Verfügung stehen bzw. wenn es bei langen Regenperioden zu verstärkten Trittschäden kommt, werden die Kühe am Vormittag (ab 11:00 Uhr) bzw. in der Nacht eingestallt. Günstig ist es, wenn die Tiere bei Hitze - zum Beispiel über Weidetriebwege - selbstständig den Stall aufsuchen können. Das Weidefutter muss jedoch auch an diesen Tagen die Hauptfutterkomponente bleiben – rasche Futterwechsel und eine hohe Ergänzungsfütterung sind zu vermeiden.
Eine Kraftfutterergänzung ist in der Vollweidezeit nur dann sinnvoll, wenn die Milchleistung der Kühe über 25-28 kg liegt bzw. wenn die Belegesaison noch nicht abgeschlossen ist. Das eiweißarme Energiekraftfutter sollte pansenschonende Komponenten (Körnermais, Kleien, Trockenschnitzel) enthalten. Zur Sicherung der Natriumversorgung sind Salzlecksteine im Stall - und nach Möglichkeit auch auf den Weiden - anzubringen. Insbesondere zu Weidebeginn sind magnesiumreiche Mineralstoffmischungen zu empfehlen.
Wassermangel oder verschmutztes Wasser führen zu einer schlechteren Futteraufnahme, erhöht den Stress der Tiere und belastet den Stoffwechsel und die Tiergesundheit.
Der tägliche Trinkwasserbedarf von Milchkühen liegt zwischen 50 und 180 l.
Herbst – langsam mit Silage beginnen
Im Herbst geht der tägliche Graszuwachs kontinuierlich zurück und die Weideflächen müssen vergrößert werden. Die tägliche Milchleistung der spätlaktierenden Kühe (200.-300. Laktationstag) liegt im Bereich von 10-20 kg. Nach frostigen Nächten ist das Futter morgens angefroren (reifig). An diesen Tagen dürfen die Kühe nicht zu früh auf die Weiden getrieben werden. Mit der Zufütterung im Stall wird dann begonnen, wenn die Weidefläche nicht mehr ausreicht bzw. wenn auf Halbtagsweidehaltung umgestellt wir. Mit der Silagezufütterung sollte langsam begonnen werden (Geschmacksbeeinflussung der Milch). Günstig ist es, wenn das Weideende mit dem Trockenstellen von einem Großteil der Kühe zusammenfallen würde. Im Herbst muss insbesondere auf sonst schnittgenutzten Flächen eine möglichst boden- und grasnarbenschonende Beweidung erfolgen. Entstehende Lücken werden im Folgejahr nicht rasch genug geschlossen, sodass unerwünschte Pflanzen überhand nehmen.
Zuchtempfehlungen
In vielen Ländern ist in den letzten Jahrzehnten ein deutlicher Anstieg der Milchleistung bei Kühen in der Milchviehhaltung zu beobachten. Gleichzeitig ging bei steigendem Kraftfuttereinsatz der Weidegrasanteil in den Milchviehrationen zurück und die Kühe wurden größer und schwerer. Fasst man die Literaturergebnisse zur Eignung von Hochleistungstieren für die (konsequente) Weidehaltung zusammen, dann zeigt sich folgendes Bild:
- Die tägliche Weidefutteraufnahme ist im Gegensatz zur Stallhaltung mit 15–20 kg T pro Tier stärker begrenzt. Als Ursachen dafür werden die begrenzte Fresszeit, Bissfrequenz und Bissanzahl diskutiert.
- Scharfe Hochleistungstiere mobilisieren zu Laktationsbeginn im Vergleich zu niedrig leistenden Kühen über einen längeren Zeitraum und auch deutlich stärker Körperreserven.
- Mit steigender Einzeltierleistung muss bei Weidehaltung mit einer stärkeren Stoffwechselbelastung (Nährstoffmobilisation, erhöhte Stoffwechselrate, Hitzestress etc.) gerechnet werden. Diese kann auch zu einer Verschlechterung der Fruchtbarkeitsergebnisse und Nutzungsdauer führen.
- Wenn hohe Einzeltierleistungen mit größeren und schwereren Kühen verbunden sind, dann ist von stärkeren Trittschäden auf den Weiden auszugehen
Grundsätzlich kann extensiv wirtschaftenden Betrieben bzw. biologisch wirtschaftenden Betrieben empfohlen werden, bei der Zuchttierauswahl verstärktes Augenmerk auf die Lebensleistung, die Fitnessmerkmale und den Rahmen (nicht zu groß und schwer) zu legen.
Checkliste - ist Vollweide eine Option?
Je mehr Fragen mit ja beantwortet werden, desto geeigneter dürfte ein Betrieb für die Vollweidehaltung sein.