Ob es ihnen bewusst ist oder nicht: Menschen, die auf der Alm wandern, Skifahren oder einfach nur die Sonne genießen, nehmen eine Agrar-Ökosystemleistung in Anspruch, für die sie meistens nicht einmal bezahlen. Dabei soll es jetzt gar nicht darum gehen, aus jeder Alm einen Vergnügungspark zu machen, für den Eintritt bezahlt werden muss.
Almen in Österreich
Almen haben einen hohen kulturellen, ökologischen und touristischen Wert. Dieser beruht auf der jahrhundertealten, meist genossenschaftlichen Bewirtschaftung von Grünlandflächen im Berggebiet. Die wirtschaftliche Notwendigkeit, für eine erfolgreiche Lebensmittelproduktion im Tal auch Almflächen zu bewirtschaften, damit das Futter im Winter reicht, besteht spätestens seit der Aufhebung der Milchquoten nicht mehr. Zusätzliche Kosten für das Zäunen, Hüten und den Transport der Tiere und eine generelle Abnahme der Zahl landwirtschaftlicher Betriebe lassen die bewirtschafteten Almen nicht erst seit der Wiedereinführung des Wolfes zurückgehen. Während es im Jahr 2000 noch über 9.100 Almen gab, waren es im Jahr 2020 nur noch rund 8.000 Almen. Von der österreichweiten Almkatasterfläche (2020 rund 937.500 ha) wird nur ein Drittel tatsächlich als Viehweide genutzt (die „Almfutterfläche“ betrug 2020 rund 310.600 ha).
Was leisten Almen?
Almen leisten ganz schön viel: neben den klassischen Funktionen der Alm, wie der Produktion von Lebensmitteln auf extensivem Grasland und dem Schutz vor Naturgefahren (Lawinen, Erosion), sind es auch der Erhalt vielfältiger Tier- und Pflanzenarten und kulturelle Leistungen wie die Vermittlung von Identität und Traditionen sowie die Erholungsmöglichkeiten für Besucher:innen.Dass Almen eine hohe Artenvielfalt aufweisen, zeigt sich auch in der Milch von Almkühen, die kein zusätzliches Kraftfutter bekommen. Diese Milch weist einen hohen Gehalt an Omega-3-Fettsäuren und einen geringeren Anteil an gesättigten Fettsäuren auf, wie eine Studie von Margit Velik 2013 nachweisen konnte. Mittels Gen-Analysen lässt sich bei der Milch sogar die Vielfalt der Almweiden nachweisen und deren Artenreichtum bestimmen, wie die Innsbrucker Zoologin Daniela Sint vor Kurzem bewies.
Den Wert der Almen vermitteln
Im Rahmen eines Fachvortrags zum Thema „Ökosystemleistungen der Alm“ stellten wir dem Fachpublikum die Frage, welche Leistungen der Almen ihnen wichtig sind. Die genannten Leistungen lassen sich in sieben Gruppen einordnen:
- Traditionelle Lebensmittelerzeugung
- Landschaft als „Nahrung für die Seele“
- Naturerlebnis für Tourist:innen
- Almkultur und Kulturerbe
- Naturschutz und Biodiversität
- Tierwohl
- Erhalt der Vitalität im ländlichen Raum
Bemerkenswert ist, dass bis auf den Schutz vor Naturgefahren alle klassischen Funktionen der Alm genannt wurden. Die darauffolgende Frage nach möglichen Kund:innen und deren Erwartungen setzte ein hohes Maß an Kreativität frei. Dazu kamen innovative Vermarktungsideen, wie bspw. die Alm als Kraftplatz für Burn-out-Patienten, die Kommodifizierung von landschaftlich schöner Aussicht an Konzerne für die Errichtung von Chaletdörfern oder die Errichtung naturnaher Spiel- und Freizeitareale.
Der Großteil der Vermarktungsideen zielte aber darauf ab, bestehende und traditionelle Leistungen der Alm so zu vermitteln, dass deren Wert bei einer größeren Anzahl an Kund:innen ins Bewusstsein rückt. Für viele dieser Angebote gibt es bereits etablierte Beispiele.
Leistungen der Alm(halter:innen) als Vorbedingung | Vermittlung / Kommodifizierung |
Kann das was? | Will haben! |
Besuchspunkte, Rastplätze, Brünndl etc. gestalten | Naturerlebnis Tourist:in, Erholung |
Alm-Events veranstalten: Almkirtag, Almauftrieb, Almabtrieb | Almkultur und immaterielles Kulturerbe |
Erfahrungswissen erhalten und weitergeben | Almkultur und immaterielles Kulturerbe |
Flächen frei halten durch Beweidung, Mahd, Schwenden | Schöne Landschaft, "Nahrung für die Seele" |
Biodiversitätsreiche (Futter-)Flächen erhalten | Naturschutz / Biodiversität |
Beweidung der Alm | Tierwohl / Tiergesundheit |
Erhalt von Landwirtschaftsbetrieben | "Vitalität" ländlicher Raum |
Produktion und Verarbeitung | Traditionelle Lebensmittelerzeugung |
Almen erhalten
Festzuhalten ist, dass keine dieser Vermarktungsmöglichkeiten allein den Fortbestand von Almen sichern kann. Auch bestehende Förderungen, wie die Ausgleichszahlung für Bergbetriebe und für Naturschutzmaßnahmen, sind aufrecht zu erhalten. Unerlässlich sind zusätzliche Kommunikationsmaßnahmen, die ein gemeinschaftliches Bewusstsein für den Wert der Almen erzeugen.
Darüberhinaus kommen mit der verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen weitere Möglichkeiten zur Abgeltung von Leistungen ins Spiel. Eine argumentative Grundlage dafür bietet das Konzept der Agrar-Ökosystemleistungen. Dieses honoriert einerseits die Leistungen der Natur für die Landwirtschaft, andererseits aber auch die Leistungen einer standortgerechten Landwirtschaft für die Gesellschaft.
Für die Abgeltung von Leistungen gibt es unterschiedliche Wege. Neben klassischen Förderungen gibt es Vertragslösungen im Rahmen der Wertschöpfungskette. Almbäuerinnen und -bauern können sich zu Vermarktungsgemeinschaften zusammenschließen, um am Markt Premiumpreise für Almprodukte zu erzielen. Beispiele hierfür sind „Almo“ oder „Bio vom Berg“, bei denen dieses Konzept erfolgreich umgesetzt wurde.
Eine andere Möglichkeit sind ergebnisbasierte Vertragslösungen. Voraussetzung dafür ist die Messbarmachung von Leistungen mit Hilfe von Indikatoren und Zielwerten. Eine systematische Erhebung von Ökosystemleistungen der Landwirtschaft wurde im Rahmen des Projekts Mehrwert Berglandwirtschaft entwickelt und steht im Rahmen des Ökobilanzierungstools FarmLife für Umsetzungsprojekte zur Verfügung.
Weiterführende Links und Literatur
Alm-at (2021) Almwirtschaft in Zahlen aufbereitet. Verfügbar unter: https://www.almwirtschaft.com/almwirtschaft/almwirtschaft-in-zahlen (06-2024).
Kirner, L. und Wendtner, S. (2012) Ökonomische Perspektiven für die Almwirtschaft in Österreich im Rahmen der GAP bis 2020 und nach Auslaufen der EU-Milchquote. Forschungsbericht, Agrarpolitischer Arbeitsbehelf Nr. 41, AWI-Bundesanstalt für Agrarwirtschaft, Wien.
Velik et al. (2013) Fettsäurenmuster von österreichischer Vollweide-, Alm- und Supermarkt-Milch sowie von Milch aus Maissilage-Ration. Fachtagung für biologische Landwirtschaft 2013, 1 – 2, HBLFA Raumberg-Gumpenstein.
https://tirol.orf.at/stories/3280308/
Fotoquellen: Finotti, E. bzw. HBLFA Raumberg-Gumpenstein