Gründe dafür waren zum einen die Spezia-lisierung der Landwirte nach den natürlichen Gegebenheiten in jene Gebiete, die Grünlandwirtschaft und Milchvieh vereinigen und in die Gunstlagen, die teilweise viehlos wirtschaften und sich auf die Produktion von Acker-kulturen spezialisiert haben. Außerdem spielte bei diesem Rückgang des Ackerbaus im Alpenraum auch die totale Mechanisierung der Bauern eine wichtige Rolle, wobei sich die Anschaffung von Spezialmaschinen, wie sie im Ackerbau unerläßlich sind, für eine eher kleinflächige Bewirtschaftung nicht rentiert, für große Flächen aber sehr wohl die Grundvoraussetzung für eine moderne Bewirtschaftung darstellt.
Aus der Tatsache, dass in den Anfängen an der Bundesanstalt in Admont verschiedene Getreidearten züchte-risch bearbeitet wurden, resultierte die Durchführung von Sortenversuchen mit verschiedenen Ackerkulturen, mit dem Ziel, die gezüchteten Stämme mit den anderen, schon eingetragenen Sorten zu vergleichen. In weiterer Folge wurde die Züchtungsarbeit eingestellt, wobei die österreichischen Züchter weiterhin großes Interesse an Ergebnissen über die Anbaueignung ihrer Sorten im alpinen Raum zeigten. Ebenso wurden diese Unterlagen an die Bezirksbauernkammern, an die Berater weitergeleitet (SOLOTAREV-NEKY u. HEIN, 1986; HEIN, 1987 - 1990; HEIN u. EGGER, 1991 - 1993; HEIN u. WASCHL, 1994 - 2001). Später kam dann die direkte Beratung der Landwirte in Form von Exkursionen und Feldtagen dazu. Durch die allgemeinen Sparmaßnahmen bei allen Institutionen des Bundes wurden die Sortenversuche im Laufe der Zeit immer mehr eingeschränkt, wobei es sich neben einer Reduzierung der Anzahl der Versuche auch um eine Reduktion des Sortenspektrums handelte. Durch die Ausgliederung der Ernährungsagentur wird die Anzahl der Sortenversuche im erweiterten Alpenraum so stark eingeschränkt, dass es für den gesamten alpinen Raum überhaupt keine Prüfung von Sorten von offi-zieller Stelle mehr gibt. Trotzdem sind aber Informationen über die Anbaueignung von Sorten in bestimmten Ge-bieten, deren Krankheitsanfälligkeit, deren Winterfestigkeit, aber auch deren Ertragspotential in klimatisch nicht so günstigen Lagen für die Landwirte unerläßlich, denn gerade in diesen klimatisch benachteiligten Gebieten spielt die Sortenwahl eine noch größere Rolle als in den Gunstlagen. Außerdem muss man bedenken, dass die Sorten, die speziell für die Anforderungen des trockenen Ostens gezüchtet wurden, meist nicht für die kühleren und feuchteren Bedingungen der westlichen Landesteile gleich gut geeignet sind. Trotz aller Einschränkungen der ackerbaulichen Aktivitäten gibt es nach wie vor im Alpenraum noch Tal- und Beckenlagen, in denen Ackerbau im Ausmass von ca. 80.000 ha betrieben wird, und in denen auch Saatgut produziert wird. Der Lungau ist ein derartiges Gebiet, eine klimatische Trockeninsel mitten in den Alpen, in der sich hervorragend Kartoffelsaat-gut erzeugen läßt. Auch für die Saatgutvermehrung von Getreide ist dieses Becken gut geeignet, weil die Anzahl der Niederschläge während der Sommermonate hier nicht so hoch ist wie in den übrigen Alpentälern.
Ein wichtiges Argument, das in diese Überlegungen mit einzubeziehen ist, stellt der „landeskulturelle Wert" einer Sorte dar. Dieses Kriterium, als wichtiges Element des Sortenwesens, wird folgendermaßen definiert: „Eine Sorte hat landeskulturellen Wert, wenn sie in der Gesamtheit ihrer wertbestimmenden Eigenschaften gegenüber den vergleichbaren zugelassenen Sorten 1) eine Verbesserung für den Anbau, insbesondere auch unter Berücksich-tigung der Widerstandsfähigkeit gegen Schadorganismen, 2) für die Verwertung des Erntegutes oder 3) für die Verwertung aus dem Erntegut gewonnener Erzeugnisse erwarten läßt" (Österr. Beschreibende Sortenliste, 2002). Gerade in den vom Klima nicht so begünstigten Regionen spielt der landeskulturelle Wert oft die ent-scheidende Rolle bei der Verwendung einer bestimmten Sorte.
Im Zuge einer Kombination mehrerer Betriebszweige stellt der Ackerbau im Alpenraum eine Möglichkeit unter mehreren zur Gewinnung des landwirtschaftlichen Einkommens dar. Gerade die Produktion von Getreide ermög-licht entweder einen Direktverkauf der Körner oder eine Verarbeitung zu Brot- und Backwaren. Auch Kartoffeln lassen sich Ab-Hof verkaufen, wobei die biologisch erzeugten sicher besser zu vermarkten sind als jene aus konventioneller Wirtschaftsweise. Besonders im Zusammenhang mit Tourismus sind solche Angebote interes-sant, wenn auch die jeweilige Gastronomie eingebunden wird. Außerdem muss auch die Komponente der Er-zeugung wirtschaftseigenen Futters durch Silomais berücksichtigt werden, was gerade in Kombination mit der Milchviehhaltung eine wichtige Rolle spielt. Auch die Erzeugung von eigenem Futtergetreide muss mit in diese Überlegungen einbezogen werden, denn mit der Viehhaltung hat auch die Gewinnung von Stroh einen bestimmten Stellenwert. Außerdem werden auch in den Grünlandbetrieben Ackerflächen benötigt, die zum Fruchtwechsel für Kleegras oder Feldfutter verwendet werden können. Dafür werden betriebswirtschaftliche Berechnungen an-gestellt, die aufgrund der gewonnenen Daten durchgeführt werden können.
Durch die Veränderungen des Klimas, die besonders stark im alpinen Raum zu spüren sind, kommt es sicher langfristig zu einem Wandel in der Kulturlandschaft (FORMAYER et al., 2001). Die schon merklichen Veränderungen sind eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur, eine Abnahme der Niederschläge in den südlichen und östlichen Teilen von Österreich, und insgesamt eine völlig andere Verteilung von Niederschlägen als früher (STEINACKER, 2001; BMLFUW). Klimaforscher gehen dem Phänomen der Klimaveränderung intensiv nach und versuchen aus verschiedensten Modellen die zukünftigen Szenarien für Mitteleuropa und ganz speziell für den alpinen Raum im Voraus zu berechnen (MRASEK, 1999). Dabei werden ein Rückgang von kalten Wintern prog-nostiziert, sowie ein Anstieg der Schneefallgrenze durch den generellen Temperaturanstieg. Das läßt den Schluss zu, dass in den kommenden Jahren der Ackerbau durchaus wieder interessant in alpinen Gebieten wer-den kann, vor allem, wenn in den niederschlagsarmen Gebieten Österreichs das Wasser für einen problemlosen Anbau diverser Ackerkulturen Mangelware ist. Gerade in den letzten beiden Jahren verursachte eine überdurchschnittliche Trockenheit in den östlichen Landesteilen schwere Schäden an Getreide- und Maiskulturen. Durch die Leistungen der Züchtung ist es heute möglich, auch Sorten für rauere Lagen auf den Markt zu bringen. Speziell bei Silomais ist diese Entwicklung in den letzten 25 Jahren ganz deutlich zu sehen, indem immer mehr Sorten mit niedrigen Reifezahlen in die Sortenliste eingetragen wurden und im Handel Verbreitung fanden. Dadurch konnte der Silomais in Gebiete vordringen, die sogenannte klimatische Grenzlagen für Silomais darstellen, in denen aber sehr frühe Sorten einen durchaus hohen Ertrag erzielen können und die dabei auch eine entspre-chende Trockensubstanz zur Erzeugung guter Silagen erreichen.
Ein weiteres Argument für den Ackerbau im Alpenraum ist die Erhaltung der vielfältigen Formen der Kulturlandschaft. Traditionelle Elemente waren die ackerbaulich genutzten Schläge in diesem Raum ebenso wie die Wiesen und Weiden. Allein durch Grünland genutztes Land bietet nicht so viel Biodiversität in Flora und Fauna wie in Kombination mit Ackerbau. Auch hat der Ackerbau wesentlich zur Gestaltung der Kulturlandschaft beigetragen, weshalb den noch vorhandenen Elementen ein entsprechender Stellenwert eingeräumt werden sollte.