Am 16.10.2024, dem Welternährungstag kamen im Grazer Gasthaus Lend-Platzl verschiedene Stakeholder zusammen. Ob Landwirtin, Politiker, Forschende oder Gastwirtin – alle folgten der Einladung des „Welthaus Graz“ zu einem genussvollen und informativen Abendessen. Auf dem Menüplan standen zum Beispiel Empanadas, frittierte Teigtaschen, die mit Erfahrungsberichten aus Argentinien angerichtet wurden. Sie standen bildhaft für das globale Agrar- und Ernährungssystem, „bei dem man nie weiß, was drin ist“, wie bei einer Empanada. Bäuerliche Familienbetriebe dort wie hierzulande stehen vor verschiedensten Herausforderungen, beginnend von den Bedingungen für den Handel und die Preisgestaltung bis zu zentralen Umweltbedingungen wie dem Klimawandel, Dürren und Waldbränden, während wir hier mit Überflutungen kämpfen.
In Argentinien wird der Großteil der Sojapflanzen angebaut, die für die österreichische Fütterung importiert werden. Doch betreffen die Futterimporte alle Landwirt:innen? Nein. Zahlreiche Landwirt:innen gestalten die Fütterung ihrer Tiere gänzlich sojafrei. In der Rinderhaltung werden in Summe mehr als 90% des Bedarfs aus österreichischem Eiweiß gedeckt. Österreich gehört zu den größten Sojaproduzenten in Europa, die inländische Erntemenge beläuft sich auf knapp 250.000 Tonnen pro Jahr. Neben der sojafreien Fütterung und dem eigenen Anbau setzen Landwirt:innen auch auf Soja aus Europa. In der Milchwirtschaft und bei den Legehennen ist Österreich bereits seit 2009 Vorreiter, weil gentechnikfrei produziert wird. Die extensive Rindermast in Österreich verzichtet weitgehend auf Importfutter. Demgegenüber werden in der Mast von Stieren, Schweinen und Geflügel relevante Mengen an Soja aus heimischer Produktion oder aus dem Ausland verwendet.
Viele Betriebe setzen ganz auf Grasfütterung, wodurch Ackerflächen für die menschliche Ernährung freigespielt werden. Beispiele dafür, die im Projekt besucht wurden, sind die Familie Kiegerl aus Deutschlandsberg, die ihre Murbodner-Rinder über Styria Beef vermarktet, oder auch Familie Lanzer aus Bruck/Mur, die neben Bio-Rindfleisch auch Gemüse vermarktet. In der Schweinemast ist die Ausgangssituation deutlich anders, weil Schweine keine Wiederkäuer sind und damit kaum Raufutter fressen. Umso höheres Augenmerk kommt einer effizienten Rationsgestaltung und einer geprüften Futterherkunft zu. Bemerkenswert ist der Ansatz von Landwirt Peter Pucher, der im Vulkanland seine Duroc-Schweine mit einer sojareduzierten Ration füttert, bei der ein Teil durch Raps ersetzt wird. Dadurch eingesparte Kosten ermöglichen ihm den Bezug von einem zwar teureren aber regionalen Sojafutter. Alle drei Familien haben Landwirt:innen in Argentinien im Rahmen von Austauschbesuchen kennengelernt, die ganz ähnliche Einstellungen zur bäuerlichen Familienlandwirtschaft haben.
Die kulinarische Informationsreise geht weiter, und während wir von Barbara Lanzer gedanklich auf ihren Hof mitgenommen werden, serviert uns die Küche gekochtes Rindfleisch von ihrem Betrieb mit Kartoffeln und Kürbisgemüse. Wir lassen uns die regionalen Köstlichkeiten schmecken, diskutieren über die in den letzten Jahren nochmals massiv zunehmende Abholzung des Regenwalds zugunsten von Ackerbau in Argentinien, durch den sich der globale Klimawandel verstärkt. Gleichzeitig verdrängen transnationale Konzerne bäuerliche Familienbetriebe und gefährden die Ernährungssouveränität vor Ort. Was können wir in Österreich tun, um die Situation auf beiden Seiten des Atlantiks zu verbessern? Im Projekt haben Bäuerinnen und Bauern beider Länder zusammengearbeitet, politische Forderungen formuliert und in der „Alianza-Erklärung bäuerlicher Familienbetriebe“ veröffentlicht. Darunter befindet sich auch die Forderung nach einer verpflichtenden Herkunftskennzeichnung für die Gastronomie, die in Form einer Petition am 16. Oktober 2024 im Grazer Lend-Platzl präsentiert wurde.
Während wir uns ein vielschichtiges Apfeltiramisu aus dem Glas schmecken lassen, lohnt es, über Transparenz und die gesetzlichen Rahmenbedingungen nachzudenken. Die verpflichtende Herkunftskennzeichnung für verarbeitete Lebensmittel gilt in Österreich seit einem Jahr in Großhandel und Großküchen für Fleisch, Milch und Eier. In der Gastronomie ist sie bisher freiwillig. Die aus dem Alianza Projekt hervorgegangene Allianz aus steirischen Landwirt:innen, Erzeugerverbänden und innovativen Gastwirt:innen setzt sich nun für die verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie ein. Das ist ein wichtiger Baustein, um Transparenz bei Kaufentscheidungen zu ermöglichen. In der Schweiz ist sie bereits Realität. Dort kann man in manchen Restaurants sein Steak aus verschiedenen Herkünften auswählen, wobei sich dies natürlich im Preis niederschlägt. Wäre das auch für Österreich ein möglicher Weg?
Viele Fragen sind noch offen, und es ist klar, dass wir Lösungen brauchen, denen sich sowohl Landwirt:innen als auch Gastwirt:innen anschließen können. Welche Auswirkungen hätte eine solche Regelung auf Landwirt:innen und die Gastronomie? Wie kann es gelingen, den Absatz heimischer Produkte zu fördern und gleichzeitig Qualität und Transparenz den Vorzug zu geben? Welches Maß an Aufwand oder Bürokratie ist dafür nötig?
Die heimische Landwirtschaft erzeugt qualitativ hochwertige Produkte, ob sie nun an den gesetzlichen Mindeststandards in Österreich orientiert sind, oder ob es qualitativ hochwertige Erzeugnisse sind, wie das Vulkanlandschwein oder Styria Beef. Eine standortgerechte Produktion verbraucht vergleichsweise wenig Ressourcen und optimiert die landwirtschaftliche Nutzung, die der Boden und das Klima vor Ort hergeben. Betriebe ohne oder mit reduziertem Kraftfuttereinsatz weisen eine hohe Ökoeffizienz auf. Sie nehmen keine oder kaum Flächen für die Herstellung von Zukauffutter in Anspruch und verursachen vergleichsweise geringe Umweltwirkungen. Das konnte durch die Ökobilanzen von Raumberg-Gumpenstein mit Hilfe des Betriebsmanagement- und Ökobilanz-Tools FarmLife anhand vieler Betriebe nachgewiesen werden. Fleisch aus zertifiziert nachverfolgbarer Herkunft macht aber bei der Wahl der Konsumierenden bisher nur einen Anteil aus. Wie kann gezeigt werden, dass die Kaufentscheidung einen Beitrag zur heimischen Wertschöpfung und zur Wertschätzung für Landwirt:innen leistet? Wofür werden sich Konsumierende im Gasthaus entscheiden, wenn es in Zukunft eine Auswahl an günstigeren ausländischen und teureren einheimischen Fleischprodukten gibt?
Alianza-Links:
Zur Alianza Erklärung: https://graz.welthaus.at/wp-content/uploads/2023/04/Alianza-Erklaerung-baeuerlicher-Familienbetriebe_230426.pdf
Zur Petition für eine Kennzeichnungspflicht in der Gastronomie: https://graz.welthaus.at/weltweit-aktiv/alianza/petition/
Workshops zur Erarbeitung der Forderungen: https://graz.welthaus.at/weltweit-aktiv/alianza/regionale-austauschbesuche/
Betriebsvorstellungen:
Familie Kiegerl: https://graz.welthaus.at/beitraege/pressebericht-was-haben-ein-argentinischer-rinderbauer-und-ein-weststeirischer-bergbauer-gemeinsam/
Familie Lanzer: https://graz.welthaus.at/beitraege/alianza-projekt-im-orf/
Peter Pucher: https://youtu.be/BSvFxJcObLU
Quellen:
Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz über Angaben der Herkunft von Zutaten in Speisen, die in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung abgegeben werden. https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2023_II_65/BGBLA_2023_II_65.html
Land Schafft Leben Podcast | # 149 Tagesmenü: Transparenz | Ulrich Herzog – Wer nichts weiß, muss alles essen: https://www.youtube.com/watch?v=4WQPrOK1PhQ