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Tödlicher Schwefelwasserstoff aus dem Güllelager

Neben hohen Anforderungen für den Umweltschutz und immer knapper werdender Ressourcen drängt auch in der Landwirtschaft immer mehr der Zwang in den Vordergrund, Geld und Zeit zu sparen. Die effiziente und damit verlustarme Ausbringung von wertvollem Wirtschaftsdünger wie Gülle gewinnt in der flächengebundenen, österreichischen Landwirtschaft mehr und mehr an Bedeutung und dies erkennt auch der Markt. Egal ob es um effiziente Futterverwertung, verbesserte Klauengesundheit, geringere Geruchs- und Ammoniakemissionen im und aus dem Stall, um das Verbessern des eigenen Pflanzenbestandes oder des Bodens geht, es werden für alle Anforderungen zahlreiche Futter- und Güllezuschlagstoffe angeboten. Problematisch ist dabei, dass keiner dieser Zuschlagstoffe einer Prüfung unterzogen wird, um seine Wirksamkeit und vor allem seine Sicherheit bei der Zugabe in flüssigen Wirtschaftsdünger zu gewährleisten.

Diese Vorgangsweise wird auch bei Schwefeldüngungen im Grün- und Ackerland angewandt. Durch die Entschwefelung von Treibstoffen und Rauchgasen der letzten Jahrzehnte entstand eine signifikante Reduktion an atmosphärischen Schwefeleinträgen in Österreichs Böden. Da ein Schwefelmangel den gesamten Stickstoffkreislauf einer Pflanze beeinträchtigt, wird oftmals auf eine entsprechende Schwefeldüngung in Form von elementaren Schwefel in Pulverform zurückgegriffen. Um sich das Ausbringen mittels Düngestreuer zu sparen, kann dieser auch direkt in die Güllegrube oder das Güllefass eingerührt werden – lautete die Empfehlung vieler Handelsfirmen, die elementaren Schwefel oder ähnliche Produkte vertreiben.

Ein aktueller Fall aus Österreich zeigt wie gefährlich manche harmlos wirkenden Zuschlagstoffe sein können. Ein Milchviehbetrieb in Tirol mit einem dem Stand der Technik entsprechendem Liegeboxenlaufstall und einer zur Hälfte unter dem Stall liegendem Güllelager, mixte elementaren Schwefel (25 kg/ha laut Etikett) in seine Grube ein. Das entspricht einer Menge von rund 1,25 kg/m3 Gülle. Von den 160 m³ Gülle wurden daraufhin ca. 100 m³ am selben Tag auf dessen Grünlandflächen ausgebracht. Es kam zu keinerlei Zwischenfällen. Wie es in der Praxis üblich ist, wird eine Güllegrube nicht komplett und zur Gänze entleert und so wurde ca. einen Monat später wiederum mit der Gülleausbringung begonnen. Circa 20 Minuten nach dem Beginn der Homogenisierung der Gülle, bot sich dem Landwirt ein Bild des Schreckens, als er seine gesamte Herde verendet in seinem Stall vorfand.

Was war passiert? Ein Teil der Gase, besonders H2S-Schwefelwasserstoff hatte sich in der Gülle gelöst. Durch die Zugabe des elementaren Schwefels vor gut einem Monat wurde der Schwefelanteil in der Gülle weiter erhöht. Die Mikroorganismen in der Gülle verarbeiteten diesen weiter zu Sulfat, welches für die Bildung von Schwefelwasserstoff verantwortlich ist. Beim Homogenisieren der Gülle wurden die Schadgase freigesetzt. Diese „Güllegase“ strömten durch die entstandenen Turbulenzen aus der Güllegrube aus. Durch die direkten Verbindungen zum Stall über die Gülleabwurfzone mit Metallabdeckung konnten sich die Schadgase bis in den Stall ausbreiten. Dies führte nach kürzester Zeit zum Tod der gesamten Herde. Der Landwirt selbst hatte den Stall betreten, sah die toten Tiere, erfasste die Situation richtig und konnte sich in letzter Sekunde noch ins Freie retten. Bei den darauffolgenden Gasmessungen der Feuerwehr wurde eine H2S Belastungen von über 2000 ppm festgestellt. Auch die Messungen durch die HBLFA Raumberg-Gumpenstein einen Monat später zeigten keine Veränderung. Die Belastung lag weiter weit über 1000 ppm. Aufgrund dieses Vorfalls wurde an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein ein Kleinversuch angelegt.

Grenzwerte für H2S:

  • In Stallungen maximal 5 ppm
  • Ab 200 ppm erste Lähmungen der Geruchsrezeptoren
  • Ab 700 ppm erste Atemlähmungen

Kleinversuch an der HBLFA Raumberg-Gumpenstein
Es wurden 60 Liter Fässer mit Gülle befüllt und mit unterschiedlichen Aufwandmengen (1,25 und 2,0 kg/m3 Gülle) des elementaren Schwefels vermischt. Von jeder Variante wurden drei Fässer befüllt, um genügend Wiederholungen zu erhalten. Anschließend wurden die einzelnen Varianten über 2 Monate hinweg mit einem Gasmessgerät, 2-mal wöchentlich, bemessen. Hervorzuheben sind alle Varianten, welchen elementarer Schwefel zugefügt und die homogenisiert wurden (G_S1r; G_S2r; G_S1r_neu). Diese zeigen im Mittel deutlich erhöhte H2S Belastungen über die zwei monatige Messperiode hinweg und teilweise bis zu 4500 ppm ansteigen. Ebenfalls ist festzuhalten, dass auch unbehandelte Gülle zur Bildung von Schwefelwasserstoff, bis zur Belastungsgrenze von ca. 200 ppm, neigt.

Was soll man tun?
Flüssige Wirtschaftsdünger sind ein äußerst kompliziertes Medium, welches nicht standardisierbar ist. Das bedeutet, dass man keine allgemein und immer gültigen Aussagen darüber treffen kann, welche Stoffe oder Gase bei der Zugabe von Güllezusatzstoffen, egal ob als Dünger oder gegen Emissionen eingesetzt, entstehen. In diesem Fall zeigte die Zugabe von elementaren Schwefels, wie schnell sich ein Schadgas wie Schwefelwasserstoff bilden kann. Da Güllelager nicht zur Gänze und auf einmal geleert werden, sondern meist über mehrere Tage (je nach Wetterlage) ausgebracht oder die Gülle auf mehrere Gaben aufgeteilt wird, muss diese des Öfteren homogenisiert werden. Hierbei kann es zu folgenschweren Zwischenfällen kommen, welche in Zukunft durch geprüfte und richtig eingesetzte Güllezuschlagstoffe hoffentlich vermieden werden können.

Tödlicher Schwefelwasserstoff aus dem Güllelager

Tödlicher Schwefelwasserstoff aus dem Güllelager

 HBLFA Raumberg-Gumpenstein